«Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war.»
Wissenschaftliche Erkenntnisse:
Welche Rolle spielt die Wahrnehmung des eigenen Körpers in Bewegung für das kognitive und emotionale Lernen? Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen beruhen sensomotorische Lernverfahren? Wie wirkt sich Stress auf das Lernvermögen aus? Wie hängen Wohlbefinden und Bewegung in der Schule zusammen? Gibt es Zusammenhänge zwischen körperlicher Fitness und Schulleistungen? Helfen Bewegungen beim Lernen von Konzepten, beim Schreiben oder Rechnen lernen?
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Bereits im vorhergehenden Kapitel haben wir gesehen: Ergebnisse der Lern- und Unterrichtsforschung, Studien aus den Neurowissenschaften und der Entwicklungspsychologie unterstreichen die starken Zusammenhänge zwischen Lernen und Bewegung. Im folgenden «graben» wir tiefer und fokussieren Fragen nach spezifischen Wirkungen und Zusammenhängen.
Autor/Autorin: Gerold Brägger, Heinz Hundeloh, Hermann Städtler, Norbert Posse
Gerold Brägger, M.A., ist Leiter und Gründer der IQES-Plattform und des Beratungs- und Weiterbildungsinstituts schulentwicklung.ch. Er ist Erziehungswissenschaftler, Schulberater, Lehrerbildner, Autor von pädagogischen Fachbüchern und Lernmitteln sowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift PÄDAGOGIK: www.IQESonline.net www.schulentwicklung.ch
Leiter des Fachbereichs Bildungseinrichtungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) c/o Unfallkasse Nordrhein-Westfalen.
Projektleiter des niedersächsischen MK-Projekts «Bewegte, gesunde Schule Niedersaschen; Vorsitzender des Direktoriums der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e.V.Schule», früherer Schulleiter der Fridtjof-Nansen-Schule in Hannov
Diplom-Psychologe und Erziehungswissenschaftler, war bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Erziehungswissenschaftlichen Institut sowie am und Institut für Sozialwissenschaften der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Herkunft: Gerold Brägger, Heinz Hundeloh, Norbert Posse, Herman Städtler: Bewegung und Lernen, Konzept und Praxis Bewegter Schulen. Beltz, 2017. ISBN 9783407257697
Umfang/Länge: 26 Seiten
Aus: Bewegung und Lernen, Konzept und Praxis Bewegter Schulen
Fächer: Bewegung und Sport
Stufen: alle Stufen
Sensomotorisches Lernen
Bewegungs- und wahrnehmungsorientierte Lernformen führen zu größerer Aufmerksamkeit, einem verbesserten Unterscheidungsvermögen und zu mehr Wohlbefinden beim Lernen und Arbeiten. Gleichzeitig fördern sie das Leistungsvermögen und wirken Lernstörungen unter- oder überaktivierter Schülerinnen und Schülern entgegen.
- Wirkung des Stress auf das neuromuskuläre System
- Bedeutung des kinästhetischen Sinns für das Lernen
- Wirkungsweise sensomotorischer Lernformen
von Gerold Brägger
Wohlbefinden und Bewegung in der Schule: Zusammenhänge und Wirkungen
In der sportpsychologischen und -pädagogischen Forschung besteht Konsens, dass sportliche Aktivitäten das Wohlbefinden positiv beeinflussen können. Auf den Schulalltag bezogen lässt sich festhalten, dass Bewegung eine mehrfach positive Rolle innehaben kann: Sie unterstützt den Lernprozess und die Leistungsfähigkeit und sie beinhaltet Möglichkeiten zur Ressourcenaktivierung und -stärkung.
von Tina Hascher, Universität Bern, Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Schulund Unterrichtsforschung
Schnelle Beine für kluge Köpfe
Experimente zeigen: nach körperlichen Aktivitäten sind Schüler/innen besser in der Lage, Störreize auszublenden und konzentriert zu arbeiten. Bewegungsaktivitäten und Achtsamkeitsübungen fördern die sogenannten »exekutiven Funktionen«, die für das Lernen von großer Bedeutung sind. Diese ermöglichen uns, unser Denken und Verhalten sowie die Aufmerksamkeit bewusst zu steuern und kontrolliert mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Studien der Gehirnforschung machen einen Mechanismus hinter der positiven Wirkung von Bewegung auf Lernen sichtbar: Bewegung führt zu verstärkter Neurogenese, also verstärkter Ausbildung neuer Nervenzellen.
von Katrin Hille und Laura Walk, ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Universität Ulm
Embodiment: Lernen braucht Hand und Fuss
Fremdsprachen lernen: mit Gesten? Rechnen lernen: mit Fingern und Zahlenstrahl? Begriffe und Konzepte: mit Bewegungen lernen?
Unser Gehirn erzeugt die Bedeutung von Begriffen durch die Wiederherstellung der dazugehörenden konkreten Sinneswahrnehmungen. Fehlen diese Verknüpfungen, weil es die Wahrnehmungen nie gab, bleiben die Begriffe blass und deren Bedeutung vage. Begriffe werden gehaltvoll, wenn die Möglichkeit besteht, die Gegenstände auch zu hören, zu sehen, zu riechen und zu fühlen. Denn: Was wir sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken, hinterlässt dauerhafte Spuren im Gedächtnis. Diese Gedächtnisspuren bilden eine zentrale Basis für die Begriffsbildung, wie die neue These der kognitiven Neurowissenschaften aufzeigt.
von Katrin Hille, ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Universität Ulm