»Eine der besten Methoden, das Selbstwertgefühl zu stärken, besteht darin, Kinder und Jugendliche darin zu bestärken, sich selber zu befragen.«
Jesper Juul

Selbstwahrnehmung und Feedback im Kindergarten:

Im Kindergartenalter ist Selbstwahrnehmung die Entdeckung der persönlichen Eigenständigkeit: »Ich bin ich selber!«. Je positiver ein Kind sich selbst erleben kann, je mehr solche Gelegenheiten und Situationen dafür im Kindergartenalltag geschaffen werden, desto mehr entwickeln sich Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen zu können, ein gutes »Bauchgefühl« zu entwickeln, sind Grundlagen für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben. Selbstwahrnehmung ist also auch unabdingbare Voraussetzung für weitere Formen des formativen Feedbacks wie Selbstreflexion, Selbst- und Fremdeinschätzung und -beurteilung.

von

Nicole Steiner

Nicole Steiner, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Autorin und Redaktorin IQES online und IQES Lernkompass, Mitglied Beratungsteam schulentwicklung.ch, Pädagogin, Psychologin, Illustratorin und Theaterpädagogin. Als Primarlehrerin hat sie langjährige Praxiserfahrung, vorwiegend an Schulen mit integrativer Schulungsform. Sie erstellt und betreut Konzepte für Lese- und Schreibförderung, Feedback und Begabtenförderung. Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

Selbstwahrnehmung

»Hilf mir, es selbst zu tun.« Maria Montessori

Selbstwahrnehmung als Kompetenz steht in den beiden Kindergartenjahren im Fokus! Bekommt ein Kind im Kindergartenalltag immer wieder und in unterschiedlichsten Situationen die Möglichkeit, sich selber bewusst wahrzunehmen, sich selber und die eigenen Handlungen als wirksam, mit einer Wirkung auf andere zu erleben, führen diese Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit zu Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl.

Dafür braucht das Kindergartenkind Vertrauen und Möglichkeiten:

Ich darf …

  • Fehler machen, sie sind wertvolle Helfer,
  • Herausforderungen eigenständig anpacken,
  • ausprobieren und selber entdecken,
  • Grenzen kennenlernen zu dürfen.
  • Verantwortung für meine eigenen Gefühle und Handlungen übernehmen.

Eine positive, stärkenorientierte Selbstwahrnehmung führt zu Selbständigkeit und einer gesunden und achtsamen Entwicklung. Sie fördert die Fähigkeit, Herausforderungen als Chancen zu sehen und mit Selbstbewusstsein anzugehen. Eine ungemein wichtige und wunderbare Aufgabe des Kindergartens!

Selbstreflexion, Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung

Selbsteinschätzung ist die Fähigkeit eines Kindes, seine persönlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten selbst zu bewerten. Diese Fähigkeit ergibt sich aus dem individuellen kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand eines Kindes. Es wird dabei zunehmend fähig, sich »neben sich« zu stellen, neben das eigene Verhalten oder neben erzielte Ergebnisse. So schafft es Distanz, um »von außen« betrachten und dadurch auch einschätzen, beurteilen zu können.

Jüngere Kinder orientieren sich für diese Einschätzung noch stark an den Reaktionen ihres Gegenübers und versuchen dabei zu erraten, was dieses Gegenüber von seinem Verhalten oder Ergebnis hält. Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung bauen dann darauf auf.

Erst nach und nach und sehr individuell, entwickelt sich die Fähigkeit, das eigene Verhalten, Lernentwicklung und -ergebnisse in Bezug zu Kriterien zu setzen.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Entwicklung in Richtung Selbstbeurteilung über konsequente und vielfältige Übungsmöglichkeiten der Selbstwahrnehmung im Kindergarten verläuft und dafür genügend Raum und Zeit benötigt.

Kindergartenkinder werden so im Laufe ihrer Kindergartenzeit fähig, ihre Selbsteinschätzung auf drei Selbstkonzepte zu stützen:

  • Meine körperlichen und geistigen Fähigkeiten
  • Meine Gesundheit
  • Mein Verhalten in Bezug auf andere Menschen

Durch die Fähigkeit, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten mehr und mehr realistisch einschätzen zu können, zeigen viele Kinder auch eine höhere Motivation, wenn es darum geht, (neue) Ziele zu erreichen. Selbstbeurteilungskompetenz baut auf diese Weise Ängste ab und fördert das Miteinander. Denn wer sich selber beurteilen kann, kann auch fremde Einschätzungen besser annehmen und verstehen.

Feedback im Kindergarten

Die Selbstwahrnehmung in Bezug auf Gefühle, die eigene Befindlichkeit und das eigene Handeln sind eine Kernkompetenz der Kindergartenzeit und die wichtigste Grundlage für alle weiteren Formen des Feedbacks.

Die Kombination von Selbstreflexion/ Selbsteinschätzung durch die Kinder und Rückmeldungen durch die Lehrperson und/ oder andere Kinder ermöglicht altersgemäße Lerngespräche, nicht nur auf der Basis von Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, sondern auch als gemeinsames «Feiern» von entdeckten Stärken und (Lern-)Entwicklungsschritten. Natürlich ist auch hier eine stärken- und ressourcenorientierte, auf Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und Respekt beruhende Lernkultur unabdingbare Voraussetzung. Echtes Interesse, Achtsamkeit und entwicklungsorientierte Haltung und positive Denkweise als Kern der pädagogischen Kompetenz (nicht nur im Kindergarten!).