Die schulbezogene KI-Diskussion dreht sich überwiegend um Text-KI-Systeme und deren Einsatzmöglichkeiten für Vorbereitung und Unterricht. Weniger im Fokus sind Bild-KI-Tools und ihr Potenzial für die Schule. In Workshops und Fortbildungen wird das daran deutlich, dass Teilnehmende wenig entsprechende Anwendungen kennen und immer wieder fragen, wozu man KI-Bilder überhaupt braucht.
Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Bild-KI-Anwendungen zeitsparend für die Gestaltung von Arbeitsmaterialien oder Präsentationen genutzt werden können. Mit ChatGPT Plus, Microsoft Copilot, Leonardo, Midjourney oder Ideogram (mein derzeitiger Favorit unter den kostenfrei nutzbaren Tools) lassen sich passgenaue Bild- und Grafikelemente erstellen. Die Ergebnisse erfüllen damit nicht nur individuelle Anforderungen, sondern dürfen auch mit Blick auf urheberrechtliche Fragen verwendet werden[i]. Ideogram ist derzeit am leistungsstärksten, wenn es darum geht Text- und Bildelemente zu kombinieren.
[i] Die Urheberrechtsfrage generierter Bilder ist noch nicht abschließend geklärt, auch wenn erste Urteile darauf hindeuten, dass KI-Bilder keinem Urheberschutz mehr unterliegen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass generierte Bilder urheberrechtlich geschützte Elemente enthalten. Aus diesem Grund ist auf die Lizenzbestimmungen der Trainingsdaten bzw. auf die Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattform und die Kennzeichnungspflichten zu achten.
Einsatzmöglichkeiten
Trotz verschiedenster Möglichkeiten erschließt sich der Mehrwert natürlich erst, wenn eine gewisse Routine im Umgang mit dem jeweiligen Tool aufgebaut ist, zum Beispiel bei der Eingabe entsprechender Prompts. Und es stellt sich die Frage, inwiefern Bild-KI-Tools jenseits der Unterrichts- und Materialvorbereitung didaktisch sinnvoll in den Unterricht integriert werden können.
Mit Blick auf den Kunst- und Geschichtsunterricht ist das noch einigermaßen einfach zu beantworten. Generierte Bilder können zum Beispiel für den Vergleich bestimmter Stile herangezogen werden oder geschichtliche Zusammengänge illustrieren, für die keine Original-Aufnahme zur Verfügung steht. Darüber hinaus eignen sich die verschiedenen Anwendungen auch, um Stile und Epochen zu mixen, Bilder zu verfremden, Personen, Themen und Ereignisse zu dekontextualisieren und in andere Settings zu übertragen. Und selbstverständlich können auch Geschichten bildlich dargestellt und Texte in stilistisch vielfältiger Weise verlebendigt werden. Im Prinzip sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt und der jeweilige Output mit entsprechenden Arbeitsaufträgen zur Gestaltung und/oder Interpretation solcher Aufnahmen im Unterricht einsetzbar.
Sprachunterricht
KI-generierte Bilder sind aber auch im Sprach- bzw. Fremdsprachunterricht enorm nützlich. Mit ein bisschen Übung erschließen sich sogar bei abstrakten Themen immer neue Anwendungsfelder, z. B. bei der Darstellung grammatikalischer Phänomene. Mit Blick auf diese Themen bin ich bei Linkedin auf die Arbeiten von Michaela Kühl aufmerksam geworden. Michaela ist Sprachlehrerin und bezeichnet sich selbst als KI-Enthusiastin. In ihren Posts zeigt sie immer wieder, wie vielfältig die Anwendungsfälle von KI-Bildern im Sprachunterricht sind.
Ich habe sie gebeten, einige ihrer KI-Bild-Ideen für einen Beitrag zusammenstellen zu dürfen und freue mich sehr, dass sie eingewilligt hat. Die folgenden Beispiele sind als Anregung und Ideensammlung zu sehen, können aber auch im eigenen Unterricht verwendet werden. Das Material steht unter der Lizenz CC-BY 4.0 Michaela Kühl (Verwendung möglich, Weitergabe und Veränderung erlaubt, Namensnennung erforderlich).
Redewendungen visualisieren
Idee: Typische Redewendungen oder sprachliche Bilder werden mit Hilfe von KI visualisiert. Die Bilder können für Übungsmaterial oder zur Veranschaulichung verwendet werden.
Grammatik visualisieren
Idee: Mit Hilfe von KI werden Grammatik-Übungen bebildert. Die Aufnahmen dienen der Visualisierung und stellen eine Merkhilfe für grammatikalische Regeln dar. Die Auflösung wird in Übungsphasen immer erst dann eingeblendet, wenn die Aufgabe gelöst wurde.
Wortschatz bildlich darstellen
Idee: Mit Hilfe von KI werden Vokabeln bildlich dargestellt. Die Bilder können zum Beispiel beim Aufbau von Wortschatz hilfreich sein.
Adjektive durch Gegensatzpaare verstehen
Idee: Adjektive werden als Gegensatzpaar visualisiert. Die Bilder helfen dabei, die Wortbedeutung zu begreifen und zu festigen.
Verben mit fester Präposition üben
Idee: Verben mit fester Präposition werden mit Kontext dargestellt. So kann die richtige Form geübt und leichter memoriert werden.
Homonyme
Idee: Homonym-Bilder werden zu beiden Bedeutungen des jeweiligen Wortes generiert. Die Ergebnisse helfen dabei, Wortschatz durch spielerisches Üben aufzubauen.
Prüfungstrainingsaufgaben
Idee: Mit Hilfe von KI werden zu verschiedenen Inhalten Trainingsaufgaben erstellt. Durch zusätzliche Bilder werden die Situationen und etwa schwierige Begriffe vorentlastet und auf Karten dargestellt.
Zwischendurch-Spiele
Idee: Durch KI-Bilder können einfache Zwischendurch-Spiele erstellt werden. Das gezeigte Beispiel fordert die Lernenden auf, Bilder zu beschreiben ohne erkennbare Details zu verraten. Ziel ist es, so viele Sätze wie möglich zu schaffen. Schülerinnen und Schüler werden so spielerisch zu fachbezogenen Gesprächen angeregt, schärfen ihren Beobachtungssinn und festigen Wortschatz.
Wortspiele
Idee: Wortspiele beziehen sich auf zusammengesetzte Wörter. Mit Hilfe von generativer KI werden beide Wortteile in einem Bild dargestellt. Die Ergebnisse können als Rätsel, für spielerisches Üben oder zum Aufbau und Üben von Wortschatz genutzt werden.
Prompting-Tipps
Wer nach diesen Beispielen Lust bekommen hat, mit Bild-KI-Tools loszulegen und/oder vergleichbare Materialien zu erstellen, aber noch über wenig Erfahrung verfügt, kann sich an folgenden Prompting-Tipps orientieren.
Zunächst einmal hängt es von der Auswahl des KI-Tools selbst ab, wie man am besten promptet. Deren „Verhaltensweisen“ sind im Fluss, weil sich die Tools in kurzen Abständen verändern. Manche benötigen sehr knappe Angaben in Form einzelner Wörter, anderen kann man lange Beschreibungen in Textform geben. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, der Anwendung immer so knapp, aber zugleich so exakt wie möglich zu sagen, wie man sich das Bild vorstellt.
Folgende Punkte können/sollten dabei berücksichtigt werden
- Beschreibe, wasdu sehen willst (Thema, den Vorgang/die Szene).
- Ergänze Anweisungen zum Stil(Comic, Malerei, Graffiti etc.).
- Beschreibe die Details.
- Gib an, in welchem Formatdas Bild erstellt werden soll (Hoch-/Querformat etc.).
Weitere Tool-bezogene Tipps
Bei ChatGPT Plus kann man dies nach und nach – wie in einem Gespräch – erklären und weiterentwickeln (= iterieren). Die KI übersetzt im Hintergrund alles ins Englische und zugleich in einen sinnvollen Prompt. Seit einer Weile gibt es zusätzlich die sogenannte Inpaint-Funktion, mit der Teile des Bildes gezielt gelöscht oder geändert werden können.
Auch bei Ideogram kann man inzwischen auf Deutsch prompten. Zudem gibt die Option „Magic Prompt“, die wie von Zauberhand die Formulierungen des Nutzers/der Nutzerin in optimale Prompts verwandelt, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Zudem lohnt es sich sowohl bei ChatGPT als auch bei Ideogram die von der KI erzeugten Prompts zu lesen, weil man daraus lernen kann, was welche Effekte erzeugt. Ein schönes Plus bei Ideogram ist, dass man die Bilder anderer Nutzer*innen sieht und deren Prompts lesen und sogar remixen kann. Dieses Nachprompten ist ein guter Weg, um zu lernen, wie man zu besseren Bildern kommt.
Fazit
Die Beispiele von Michaela Kühl zeigen, wie Bild-KI-Tools und deren Output didaktisch sinnvoll eingesetzt werden können. Dank visueller Unterstützung sind auch sehr komplexe und abstrakte Sachverhalte deutlich leichter zu erfassen, da das menschliche Gehirn Bilder erheblich schneller verarbeitet als Text. In einem Beitrag bei unidigital.news schreibt Michaela: „Visuelle Inhalte sprechen uns auf emotionaler Ebene an: Sie berühren, schockieren und begeistern uns, – nahezu immer wecken sie ein Gefühl“. Und genau deshalb erinnern wir uns an mit Bildern verknüpfte Inhalte in der Regel leichter als an Texte.
Zudem eignen sich die Bilddateien zur Gestaltung vielfältiger Übungsmaterialien und sind gut teil- und weiternutzbar. Noch effektiver wird es, wenn die Schülerinnen und Schüler das Material selbst mitgestalten, indem sie versuchen, zum jeweiligen sprachlichen Phänomen eigene und noch treffendere Bilder zu generieren. Verfügt die Schule über einen fobizz-Zugang, können die Lernenden mit Hilfe der Klassenräume auf die Bild-KI-Anwendungen Dall-E 3 und Stable Diffusion XL zugreifen.
Allen, die noch mehr Beispiele von Michaela sehen möchten, sei ihr Linkedin-Profil empfohlen. Vor dem Hintergrund, dass auch die Bild-KI-Tools immer besser werden, darf man gespannt sein, was zukünftig noch alles möglich sein wird.
Michaela Kühl ist in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und Trainerin in der Lehrerfortbildung. Sie bietet u.a. Prüferqualifizierungen an und Seminare zum Thema “KI für Lehrer” (teilweise zusammen mit Alexander Esau, der in die Grundlagen des Bilderpromptens einführt) und begeistert sich leidenschaftlich für KI-Kunst. Hier geht es zum Linkedin-Profil von Michaela.
Weitere Links und Leseempfehlungen
Thomas Felzmann hat einen lesenswerten Überblicksartikel geschrieben: Wie funktionieren KI-Bildgeneratoren?
Manuel Flick hat drei Bild-KI-Tools auf seinem YouTube-Kanal verglichen: KI-Tools für Bilder im Unterricht: Anwendung und Vergleich!
Kai Wörner stellt unter einer geschichts- und politikdidaktischen Perspektive Ansätze für Karikaturen mit Bild-KI-Systemen vor, die im Unterricht eingesetzt werden können. Da Kai leider keinen Blog betreibt, auf dem man seine Ideen nachlesen könnte, kann ich nur empfehlen, einmal eine Fortbildung bei ihm zu besuchen. Online könnt ihr einige seiner Gedanken zum Beispiel hier nachvollziehen: Aufgezeichneter Impuls vom 12.2.24: Einsatz von KI-Tools im Geschichtsunterricht.