«Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muß auch tun.»
Johann Wolfgang von Goethe

Werkzeuge: Kompetenzrad, Fragewürfel, Aufgabenmap:

Wie können Lern- und Leistungsaufgaben gestellt werden, die nicht nur Fakten und Daten abfragen, sondern das Verstehen und Anwenden von Wissen verlangen? Wie können Lernziele für das Analysieren, Entwickeln und Bewerten so formuliert werden, dass sie zum Handeln auffordern? Welche Lernprodukte bieten sich an, um Stufen des Wissens und Könnens sichtbar zu machen? Hier finden Sie praktische Werkzeuge, um analoge und digitale Aufgaben nach Kompetenzstufen zu differenzieren.

von

Gerold Brägger

Gerold Brägger, M.A., ist Leiter und Gründer der IQES-Plattform und des Beratungs- und Weiterbildungsinstituts schulentwicklung.ch. Er ist Erziehungswissenschaftler, Schulberater, Lehrerbildner, Autor von pädagogischen Fachbüchern und Lernmitteln sowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift PÄDAGOGIK: www.IQESonline.net www.schulentwicklung.ch Arbeitsschwerpunkte: Schul- und Unterrichtsentwicklung, Evaluation, Digitale Medien in Schule und Unterricht, kompetenzorientierter Unterricht und selbstkompetentes Lernen, Schulleitung, Gute gesunde Schulen, Schulentwicklung in Netzwerken und Bildungsregionen. Publikationsliste herunterladen Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch Publikationen von Gerold Brägger im Beltz Verlag

und

Nicole Steiner

Nicole Steiner, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Autorin und Redaktorin IQES online und IQES Lernkompass, Mitglied Beratungsteam schulentwicklung.ch, Pädagogin, Psychologin, Illustratorin und Theaterpädagogin. Als Primarlehrerin hat sie langjährige Praxiserfahrung, vorwiegend an Schulen mit integrativer Schulungsform. Sie erstellt und betreut Konzepte für Lese- und Schreibförderung, Feedback und Begabtenförderung. Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

, Illustrationen von

Nicole Steiner

Nicole Steiner, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Autorin und Redaktorin IQES online und IQES Lernkompass, Mitglied Beratungsteam schulentwicklung.ch, Pädagogin, Psychologin, Illustratorin und Theaterpädagogin. Als Primarlehrerin hat sie langjährige Praxiserfahrung, vorwiegend an Schulen mit integrativer Schulungsform. Sie erstellt und betreut Konzepte für Lese- und Schreibförderung, Feedback und Begabtenförderung. Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

und

Isabelle Truniger

Webredaktion, Support IQES und schulentwicklung.ch. Weiterbildung Eidg. dipl. Technikerin HF Fachrichtung Mediatechnik. Sie verbindet technisches Know-how mit kreativem Flair.

Lernziel-Taxonomie nach Bloom: Lernziele handlungsorientiert formulieren

Aufgaben im Unterrichtsalltag sind unterschiedlich anspruchsvoll: Vom einfachen Reproduzieren von Wissen über ein vertieftes Verständnis von Problemen bis zum Lösen von anspruchsvollen Analyse- oder Beurteilungsaufgaben. Beim Formulieren von Lernzielen und Gestalten von Aufgaben bewährt sich eine Orientierung an der Taxonomie der kognitiven Lernziele von Benjamin Bloom.

Lernziele sind handlungswirksam und für Lernende gut verstehbar, wenn sie einen Endzustand formulieren und mit Tätigkeitswörtern (Verben) eindeutig beschreiben, welches Verhalten die Lernenden zeigen sollen.

Die am häufigsten verwendete Taxonomie der Lernziele ist jene von Benjamin Bloom (1956) sowie eine darauf aufbauende, veränderte Version, die Anderson & Krathwohl, Mitarbeitende von Bloom 2001 veröffentlicht haben. Uns überzeugt die neuere, überarbeitete Version mehr, weil sie stärker das aktive Lernen betont und anstelle von Bewerten (Evaluation) das Entwickeln und neues Schaffen (Creation) als oberste Kompetenzstufe setzt. Die Lernziel-Taxonomie nach Bloom, Anderson & Krathwohl umfasst sechs Stufen kognitiver Lernziele und beschreibt jeweils das gewünschte Endverhalten mit Verben. Jede Stufe des Wissens und Könnens baut auf der vorhergehenden Stufe auf und beinhaltet diese.

1. Wissen: Fakten, Ideen, Wörter, Inhalte lernen, erinnern und wiedergeben.

Lernende zeigen Kompetenzen, indem sie …

  • Fakten, Muster, Inhalte und Ideen unverändert abrufen und wiedergeben können.
  • Begriffe, Regeln, Merkmale, Definitionen abrufen und wiedergeben können.
  • elementare Automatismen, Prozesse und Fertigkeiten ausführen können.

2. Verstehen: Eine Sache begreifen und über Wissen und Gelerntes kommunizieren.

Lernende zeigen Kompetenzen, indem sie …

  • Informationen, Fakten, Formeln, Definitionen, Bedeutungen erklären können.
  • Beispiele anführen, Zusammenhänge erklären können.
  • Gründe und Ursachen ableiten und verdeutlichen können.

3. Anwenden: Das erworbene Wissen in neuen, veränderten Situationen anwenden.

Lernende zeigen Kompetenzen, indem sie …

  • Informationen, Methoden, Konzepte, Theorien in neuen Situationen umsetzen können.
  • Probleme durch vorhandenes Wissen und/oder notwendige Kompetenzen lösen können.

4. Analysieren: Inhalte in Teile zerlegen und deren Beziehungen untersuchen.

Lernende zeigen Kompetenzen, indem sie …

  • Aufbau, Struktur, Muster, Einzelheiten erkennen können.
  • versteckte Bedeutungen ermitteln können.
  • Widersprüche und Zusammenhänge untersuchen können.
  • Inhalte in Teile zerlegen können.
  • Beziehungen herstellen können.

5. Bewerten: Situationen, Sachverhalte, eigene Leistungen reflektieren, beurteilen, kritisch prüfen.

Lernende zeigen Kompetenzen, indem sie …

  • verschiedenartige Meinungen, Fakten, Situationen, Ideen reflektieren, prüfen und dazu Stellung nehmen können.
  • Sachverhalte abwägend, kriteriengeleitet und perspektivenbezogen prüfen und argumentieren können.
  • Prozesse, Produkte und Leistungen wertschätzen und rückmelden können.

6. Entwickeln: Ideen kombinieren, neues Wissen entwickeln und kreativ gestalten.

Lernende zeigen Komeptenzen, indem sie …

  • aus alten Ideen neue erarbeiten können.
  • Wissen aus verschiedenen Perspektiven heraus weiterentwickeln können.
  • Hypothesen und Prognosen entwickeln können.
  • auf neuem Wissen und neuen Ideen aufbauende Techniken, Produkte, Denkstrukturen erarbeiten können.

Beispiele: Aufgaben auf verschiedenen Stufen

Sekundarstufe I: Bewerbungsschreiben

1. Wissen

Die Schüler*innen können jene Angaben nennen, die ein Bewerbungsschreiben enthalten sollte. .

2. Verstehen

Die Schüler*innen können erklären, warum bestimmte Angaben im Bewerbungsschreiben enthalten sein müssen.

3. Anwenden

Die Schüler*innen können jene Angaben zusammenstellen, die für ihre Bewerbungsschreiben wichtig sind.

4. Analysieren

Die Schüler*innen können aus einem Bewerbungsschreiben überflüssige Angaben heraussuchen.

5. Bewerten

Die Schüler*innen können prüfen, ob ein Bewerbungsschreiben inhaltlich und formal korrekt ist.

6. Entwickeln

Die Schüler*innen können ein eigenes Bewerbungsschreiben schreiben.

Sekundarstufe II: Energiegewinnung

1. Wissen

Die Schüler*innen können die verschiedenen Möglichkeiten der Produktion von elektrischem Strom benennen.

2. Verstehen

Die Schüler*innen können die einzelnen Produktionsformen in ihrem Ablauf und ihren Vor- und Nachteilen erklären.

3. Anwenden

Die Schüler*innen können die Leistung von verschiedenen Produktionsformen und dem Bedarf an Elektrizität berechnen.

4. Analysieren

Die Schüler*innen können Aussagen aus der Politik zum zukünftigen Energiebedarf und der Leistungen aus den verschiedenen Produktionsformen untersuchen.

5. Bewerten

Die Schüler*innen können verschiedene Energie-Produktionsformen anhand von selbst erarbeiteten Kriterien beurteilen.

6. Entwickeln

Die Schüler*innen können Szenarien entwickeln, wie verschiedene Formen der Energieerzeugung und -nutzung kombiniert werden könnten.

Sekundarstufe I: Spaghetti Carbonara

1. Wissen

Die Schüler*innen können die verschiedenen Zutaten für Spaghetti Carbonara aufzählen.

2. Verstehen

Die Schüler*innen können die Verarbeitung der verschiedenen Zutaten im Rezept erklären.

3. Anwenden

Die Schüler*innen können Spaghetti Carbonara nach vorliegendem Rezept zubereiten.

4. Analysieren

Die Schüler*innen können einzelne Vorgehensweisen untersuchen und alternative Vorgehensweisen erkennen (wenn mehrere helfen, dann…, wenn schon vorgeschnitten, dann…).

5. Bewerten

Die Schüler*innen können das gekochte Gericht mit einer Kriterienliste und nach Geschmack beurteilen.

6. Entwickeln

Die Schüler*innen können Zutaten aus dem Originalrezept durch andere ersetzen und eine eigene Variante entwickeln (Pilze statt Schinken für Vegis,…).

Kindergarten: Äpfel

1. Wissen

Die Kinder können verschiedene Merkmale eines Apfels und eines Apfelbaums benennen.

2. Verstehen

Die Kinder können erklären, wie ein Apfel wächst.

3. Anwenden

Die Kinder können auf Bildern oder in der Natur Apfelbäume erkennen.

4. Analysieren

Die Kinder können verschiedene Äpfel/Apfelsorten untersuchen und vergleichen.

5. Bewerten

Die Kinder können verschiedene Apfelsorten nach Grösse, Geschmack und weiteren selbst gefundenen Kriterien beurteilen.

6. Entwickeln

Die Kinder können eine Apfelgeschichte erfinden, zeichnen und erzählen..